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4. Dezember 2022 Warum wir hier sind

3.12.2022, 15:38 Uhr

Position: 13°02.209'N, 52°12.004'W
Kurs: 310° · Geschwindigkeit: 4 kn
Wetter: sonnig-wolkig, erste Sonnenbrände, 27,9°
Wind 3 aus Ost
gesetzte Segel: T-Gallant, Lower Topsail, Upper Topsail, Course, flying jib
bisher zurückgelegte Seemeilen: 5330 nm
Tage ohne Motor: 19
Stimmung an Bord: Vorfreude auf Martinique!

Jeder hat sie und jeder weiß, dass es sie gibt, doch im Grunde genommen, kennen wir sie nicht. Persönliche Grenzen. Sie sind immer da und beschränken uns oftmals in unserem Handeln. Deshalb würden wir alle sie am liebsten verschieben oder einfach direkt verschwinden lassen. Ganz so einfach ist das aber nicht, weil man überhaupt erstmal wissen muss, wo die eigenen Grenzen liegen, bevor man sie überschreiten und über sich hinauswachsen kann. Und genau deshalb sind wir hier.

Die meisten von uns antworten auf die Frage, warum sie hier bei High Seas High School sind, damit, dass sie neue Kulturen erleben und ihre Grenzen kennenlernen möchten. Das klingt erstmal sehr nach einer Standard-Antwort. Wenn man aber genauer hinschaut, steckt dort allerdings sehr viel und, das ist noch viel wichtiger, für jede und jeden hier an Bord etwas anderes dahinter.

Ich denke, ihr alle wisst, was wir damit meinen, dass wir neue Kulturen erleben möchten. Uns geht es bewusst darum, tiefer in die Lebensweise von Menschen aus anderen Ländern einzutauchen, als die meisten von uns es als Touristen gewöhnt sind. Wir wollen stattdessen lieber Gäste sein und so viel wie möglich mit den Einheimischen ins Gespräch kommen, um einen besseren  Eindruck von ihrer Art zu leben zu erlangen. Genau das erhoffen sich viele beispielsweise von unserem Aufenthalt in den Gastfamilien in Costa Rica oder der Zeit auf Kuba.

Nun aber zurück zu den persönlichen Grenzen. Diese liegen, wie bereits erwähnt, bei uns allen an unterschiedlicher Stelle und dementsprechend definiert hier jede und jeder „über sich hinauswachsen“ anders. Fest steht jedenfalls, dass wir hier alle so viele Möglichkeiten bekommen unsere Grenzen kennenzulernen und sie auch zu überschreiten.

Die Rahsegel werden ausgepackt

Um die Rahsegel »auszupacken« muss man zu ihnen hoch © Tobi

Nehmen wir als erstes Beispiel mal die Höhe. Für alle, die es noch nicht wissen: in unserem Bordalltag ist es mittlerweile selbstverständlich geworden, dass wir den vordersten Mast hochklettern, um zum Beispiel die Segel zu packen, also mit Tampen hochzubinden, oder aber, um der Crew bei verschiedenen Reparaturarbeiten, wie zum Beispiel beim Segelflicken, zu helfen. In seiner gesamten Höhe ist dieser Mast 43 m hoch, was bei manchen von uns Höhenangst zum Vorschein bringt. Diesen Mast hochzuklettern, kostet viele hier wirklich Überwindung, doch wir sind ja hier, um ebensolche Grenzen kennenzulernen und schließlich auch zu überschreiten. Wenn man dann trotz Höhenangst bis nach oben zum T-Gallant (oberstes Rah-Segel) geklettert ist, ist man definitiv mit Stolz erfüllt, dass man es geschafft hat, diese unsichtbare Grenze zu überschreiten.

Eine andere persönliche Grenze, die wir hier manchmal überschreiten, ist die Hemmschwelle, was Ekel angeht. Damit unser Schiff immer schön sauber bleibt, was ja im Interesse aller ist, muss regelmäßig geputzt werden. Das geschieht natürlich auch aus hygienischen Gründen und ist eine Aufgabe, um die man einfach nicht herumkommt. Deshalb haben wir alle in Kleingruppen bestimmte Putzbereiche zugewiesen bekommen, die sich wöchentlich ändern. Dort müssen wir bis zu dreimal am Tag putzen. Da aber niemand die Lust und vor allem auch nicht die Zeit hat, jeden Tag dreimal intensiv zu putzen und wir mit 60 Personen auf diesem Schiff leben, sammelt sich schnell mal Dreck an, der dann weggemacht werden muss. Das kann zum Beispiel das Waschbecken in der Pantry* sein, in dem manchmal das Wasser, vermischt mit Essensresten, Teebeuteln, usw. steht, weil es aufgrund der Schieflage nicht richtig ablaufen kann oder der Abfluss verstopft ist, oder aber die Abflüsse der Duschen in den Bädern, in denen sich auch gerne mal seeehr viele Haare ansammeln. Auch das Putzen der Toiletten erfordert manchmal eine gewisse Toleranz im Bereich Ekel, vor allem dann, wenn die Spülung nicht funktioniert, die Toilette aber trotzdem benutzt wurde. Das alles sind Dinge, die nun mal passieren, wenn so viele Menschen auf engem Raum leben. Das dann wegmachen zu müssen, kann wirklich eklig sein. Es muss aber gemacht werden und man kann dem nicht aus dem Weg gehen. Dadurch verschiebt sich definitiv unsere Toleranzgrenze was Ekel angeht.

Es gibt allerdings auch Situationen an Bord, bei denen wir unsere Grenzen unbewusst oder über einen längeren Zeitraum hinweg verschieben. Privatsphäre ist beispielsweise an Bord eher Mangelware. Wir schlafen alle im Dorm in aneinandergereihten „Doppelstockbetten“. Manche haben einen Vorhang an ihrer Koje befestigt, der für ein bisschen Abgeschiedenheit sorgt. Allerdings halten sich die meisten von uns wirklich nur zum Schlafen dort auf, weil es dort auch schon mal ziemlich warm und stickig werden kann. Auch an den meisten anderen Orten an Bord ist man nie wirklich allein, weil wir einfach so viele Menschen auf engem Raum sind. Man kann also nicht wie zu Hause einfach in sein Zimmer gehen und die Tür schließen, wenn man mal Zeit für sich haben möchte. Das ist schon eine Herausforderung, bei der wir definitiv an unsere Grenzen gehen. Diese Situation zeigt uns allen aber definitiv auch, wie wertvoll Privatsphäre und Zeit für sich sind und man lernt sie viel mehr zu schätzen. Mittlerweile wurde an Bord auf dem hinteren Teil des Bridgedecks eine Zone eingerichtet, in der wir für uns sein können. Es gilt allgemein die Regel, wer dort ist, egal ob Erwachsene oder Schüler:innen, soll und darf nicht angesprochen werden. Das sorgt für ein bisschen Ungestörtheit.

Da man hier kaum Raum für sich hat und es auch generell wenig Platz gibt, kann man Problemen nicht so leicht aus dem Weg gehen oder versuchen, sie durch räumliche Distanz zu ignorieren. Da wir hier wirklich 24/7 in der Gemeinschaft leben, kann es leicht mal zu Spannungen kommen. Diese muss man dann allerdings so bald wie möglich und vor allem auch effizient lösen, da man sich nicht einfach abschotten und distanzieren kann. Wichtig ist hierbei allerdings auch, dass man in solchen Situationen ruhig und entspannt bleibt, damit es nicht zu einer Eskalation kommen kann. Diese Situationen verschieben definitiv auch unsere persönlichen Grenzen und lassen uns über uns selbst hinauswachsen.

Ein weiterer Punkt, in dem wir hier an Bord über uns hinauswachsen, ist der Umgang mit Erschöpfung. Das Leben an Bord ist nun mal anstrengend mit Wache, Galley und zusätzlich noch Schule und man bekommt weniger Schlaf, als man es von zu Hause gewohnt ist. Das sorgt manchmal für ziemliche Erschöpfung, gerade wenn man einen besonders anstrengenden Tag hatte, etwa weil die Galley länger gedauert hat. Mit zu Hause kann man das gar nicht vergleichen. Dachte ich, ich sei nach einem langen Tag in der Schule und anschließend noch Hobbies erschöpft, so ist das hier eine ganz andere Erschöpfung, denn man kann nicht einfach aussteigen, nicht einfach mal den Sport ausfallen lassen, weil man nicht mehr kann. Der Bordalltag geht weiter und auch die Aufgaben müssen schließlich erledigt werden. Da hilft eben nur zu versuchen, die eigene Erschöpfungsgrenze zu überwinden und somit wieder ein Stück über sich hinauszuwachsen.

Wie ihr wahrscheinlich alle wisst, ist High Seas High School ein Offlineprojekt und wir bekommen unsere Handys nur stundenweise während der Landaufenthalte. Folglich ist der Kontakt zu der Familie und den Freunden zu Hause sehr eingeschränkt. Dadurch werden wir hier gezwungenermaßen unabhängiger. Hier sind unsere Eltern nicht immer da, um uns zu unterstützen und wir müssen uns selbst zurechtfinden und uns unseren eigenen Weg suchen. Auch dass wir uns mittlerweile in dieser Gruppe zunächst völlig fremder Menschen zurechtgefunden haben und eine Gemeinschaft geworden sind, hat uns ein Stück weit unabhängiger gemacht.

Insgesamt haben wir hier alle unglaublich viele Gelegenheiten über uns hinauszuwachsen und unsere eigenen Grenzen zu verschieben. Meist passiert dies einfach durch das Leben, das wir hier Tag für Tag leben, manchmal aber auch in ganz bewussten Momenten, in denen es wirklich so ist, als würde in unserem Kopf ein Schalter umgelegt und wir könnten die Veränderung augenblicklich spüren. Die oben genannten Situationen und Umstände sind wirklich nur ein paar Beispiele und es gibt noch so viele andere Umstände, die dafür sorgen, dass wir uns weiterentwickeln, zum Beispiel auch die Tatsache, dass wir, wenn wir auf See sind, ziemlich wenig Freizeit haben oder auch das Heeling (Schräglage des Schiffes) und die Seekrankheit, die uns oftmals an unsere körperlichen Grenzen bringen.

Ich hoffe, ihr konntet heute ein bisschen nachvollziehen, warum wir alle hier sind und was uns motiviert, denn wer möchte nicht über sich hinauswachsen?

Eure Charlotte

 

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Grüße:

  • Charlotte: Liebe Sonja, ich wünsche Dir alles Liebe und Gute zum Geburtstag! Ich drücke Dich und wünsche Dir nur das Beste für das neue Lebensjahr! Hab dich lieb! Deine Charlotte
  • Carla T.: Grüße gehen raus an Mama, Papa, Oma, Opapa, Nana, Vera<33 und die anderen. Mir geht’s gut und ich bin  nicht seekrank. Hab euch alle lieb und vermisse euch!
  • Anika: Grüße an meinen Bruder, ich hoffe du lässt den Adventskalender jeden Tag runter! Und Grüße an Rattttttteeeee hoffe du hast einen schönen Tag! Miss you <3
  • Laura: Ich grüße „klein Laura und die große Welt“ und meine Familie. Habe euch lieb!!! Nils, ich wünsche dir alles Gute nachträglich zum Geburtstag!
  • Ferdinand: Ich grüße meinen Hund.
  • Philipp: Ich grüße meine Katzen.
  • Luna: Ich freue mich riesig jeden Tag meinen Adventskalender zu öffnen! Danke Mama und Papa ich vermisse euch!
  • Moritz: Ich grüße Felix, Birk, Luis, Bruno, Solveig und Presi. Hab euch alle ganz dolle lieb <3. Und Peer, ich hoffe wir sehen uns in Panama oder so mal.
  • Cal: Viele Grüße an Omi und Opi! Ich hab euch lieb und ganz besonders an euch gedacht, als wir auf Teneriffa im Kon-Tiki-Museum waren … und ganz liebe Grüße an Oma Wieke, ich vermisse dich! – Wir haben hier zwar Kekse, aber keine Friesenwaffeln!