Nachtrag: 7. Mai 2022 Unser Aufenthalt in Longo Mai

Hallihallo liebe Leser:innen!

Unser Aufenthalt in Longo Mai, Costa Rica war… (wie ihr wisst) etwas turbulent und hatte die ein oder andere Überraschung parat. Dennoch war es eine wunderschöne Zeit, die ich sehr genossen habe. Wenn ich gefragt werden würde, was mir am besten gefallen hat, wäre meine Antwort die Natur. Diese unglaublich vielseitige, facettenreiche, laute, bunte und ausgeglichene Welt.

Mein Lieblingsplatz war auf einem großen Stein mitten im Fluss im Regenwald, den man nur durch eine kleine Kletterpartie oder nasse Füße erreichen konnte. Ich habe Stunden an diesem Ort verbracht, denn er war so friedlich und ich habe mich nirgends sonst so frei gefühlt. Wenn ihr euch fragt, was ich dort gemacht habe, dann kann ich euch nichts anderes sagen als zu sitzen und zu liegen und zu lauschen und zu gucken. Denn es gab jede Menge zu hören und zu sehen. Ich saß dort inmitten eines wimmelnden, atmenden Lebens. All diese Kreaturen leben in der selben Welt in Einklang – und ganz ohne den Menschen.

Und wie ich da so saß kam ich mir vor wie aus einer anderen Welt. Ich fühlte mich wie ein Gast. Und ich fragte mich warum. Ich glaube, ich habe für mich die Antwort herausgefunden und ich würde sie gerne mit euch teilen. Vor allem, weil ich seitdem immer wieder diesen Gedanken hatte, dachte ich mir: jetzt musst du darüber sprechen! Dazu schweife ich ein wenig aus.

Der Mensch ist die bis jetzt beeindruckendste Schaffung der Evolution. Er steht an der Spitze der Nahrungskette, ist so intelligent und komplex wie noch kein anderes Wesen und dominiert – zumindest oberflächlich –- den Großteil des Planeten. Doch wir haben uns zurückgezogen. Wie eine Trennlinie gezogen zwischen uns und unseren Mitbewohnern der Erde. Wir leben in unseren Städten und Häusern, mit- und nebeneinander und verschließen die Türen. Die einzigen Tiere in unseren Leben haben wir uns untergeordnet und wir kontrollieren sie, ob als Haus- oder Nutztiere. Vor wilden Tieren – und damit meine ich ‚unabhängig vom Menschen lebend‘ und nicht ‚mit glühenden Augen und scharfen Reißzähnen‘ – fürchten oder ekeln wir uns, weil wir uns so weit entfernt haben, dass wir sie nicht mehr kennen. Außer, sie entsprechen unseren gesellschaftlichen Vorstellungen von süß, dann finden wir sie toll.

Klar, die Entwicklungen und Erfindungen des Menschen sind wirklich fantastisch, genauso wie die Welt, die er sich aufgebaut hat, aber bei einigen frage ich mich, ob wir sie wirklich brauchen und auch, was sie mit uns gemacht haben. Ja, manche würde ich sogar als überheblich beschreiben. Als Beispiel unsere Schuhe. Wir tragen sie überall um unsere babyweichen und von Hornhaut befreiten Füßchen nicht schmutzig zu machen. Der Punkt der Verletzung zählt für mich nicht, denn den haben andere Säugetiere auch. Oder nehmen wir als anderes Beispiel eine Bank. Wozu müssen wir erhöht sitzen und speisen? Natürlich ist das in der heutigen Welt nicht mehr wegzudenken und hat sicherlich auch einen Platz in unserer Kultur und vielleicht steckt ja auch etwas ganz anderes dahinter, aber irgendwo ist der Grundgedanke dahinter schon eingebildet.

Also stelle ich mir die Frage: ist es wirklich weit entwickelt, sich von der Welt, von der wir eigentlich ein Teil sind und zu der wir dazugehören, abzuschotten? Ist es wirklich weit entwickelt, aus Allem unseren Nutzen zu ziehen und uns zu nehmen, was wir wollen und nicht damit aufzuhören, auch wenn wir bereits Schaden anrichten? Wer gibt uns das Recht dazu? Wir selber. Oder denken wir einfach nicht nach?

Und wie ich da auf dem Stein saß und mich zwar willkommen, aber dennoch nicht dazugehörig fühlte, kam mir der Gedanke, wie unwichtig der Mensch auf dieser Erde eigentlich ist. Was trägt er Positives oder Essenzielles zu dieser Welt bei? Wenn wir aussterben würden, welche Art würde mit uns sterben? Keine, weil wir an der Spitze der Nahrungskette stehen. Was würde passieren? Die Welt würde weiterlaufen. Vermutlich mit einem kleinen Umweg, aber sie würde weiterlaufen, denn das tut sie bereits jeden Tag, vor unseren Haustüren und vor unseren verschlossenen Augen.

Ich will in diesem Beitrag nicht beschreiben, wie unwichtig oder überheblich oder ungerecht der Mensch doch ist und ich teile hier ja auch nur meine Meinung. Ich will euch zum Nachdenken anregen. Ich will euch bitten, die Augen für die kleinen und kleineren Dinge zu öffnen. Bleibt kurz stehen, atmet und lauscht. Oder fühlt. Das ist der Ort, an dem wir alle leben und den wir besser kennen und vor allem respektieren sollten. Und ich meine nicht Respekt in Form von seinen Pappbecher in den Abfalleimer statt auf die (gepflasterte) Straße zu werfen; das natürlich auch, aber ich spreche eher von einem Respekt auf Augenhöhe und Ehrfurcht aufbauend. Den Respekt, den uns diese Welt auch entgegenbringt. Der Käfer, der gerade dein Bein hochkrabbelt will auch nur seinen Weg gehen, so wie du. Er hat aber sicherlich nichts dagegen, vorsichtig – respektvoll – abgesetzt zu werden :)
Doch ich denke das geht darüber hinaus. Respekt und Bewusstsein gehen Hand in Hand und sind zwei so wichtige Dinge, deren Abwesenheit dafür verantwortlich ist, dass das Ein oder Andere auf dieser Erde gewaltig schief läuft. Wir müssen aufhören uns über alles andere zu stellen und uns erlauben über Leben und Tod, und zwar weit über das natürliche Limit hinaus, zu entscheiden.
Ich bin sehr glücklich, dass ich die vielen Tage auf diesem Stein im Fluss verbringen durfte.

Und ich habe mich jedes mal bedankt, wenn ich gegangen bin.

Kira

P.S. Danke