1. November 2025 Emotionaler Abschied in Bremerhaven

Bremerhaven am 30. Oktober 2025 kurz vor 9:00 Uhr. 
Ich bin vermutlich nicht der erste, der am Morgen vor der Eendracht eintrifft, aber wohl der erste, der gekommen ist, um zu bleiben. Als ich den Mietwagen mitten auf der Pier abparke, sind die Schülerinnen und Schüler gerade dabei, ihr Schiff mittels Hochdruckreiniger und Schrubber fototauglich zu machen. 

Noch einmal überwischen, bevor die Gäste kommen

Noch einmal überwischen, bevor die Gäste kommen © Steffen

Bis eben hat es noch durchdringend geregnet. Der Wind erlaubt es nicht, unsere mitgebrachten Pavillons aufzustellen, die uns und andere eigentlich vor dem Regen hätten schützen sollen. Das ist glücklicherweise auch nicht nötig, weil es ab jetzt trocken ist. Der Wind bleibt ein Problem. Ich versuche dennoch, das Banner der »Crew an Land«, auf dem große Buchstaben »fair winds and following seas« wünschen, zwischen zwei Laternen aufzuhängen. Neben der riesigen Eendracht, nimmt sich das Transparent geradezu winzig aus. Ich hoffe die Leute an Bord haben die guten Wünsche trotzdem gelesen. 

Schnell füllt sich die Pier vor dem Schiff mit Eltern, Großeltern, Geschwistern und Freunden. Auch etliche Mitsegler:innen der zurückliegenden Reisen sind gekommen um die Eendracht zu verabschieden. Vier große Kannen mit Kaffee und heißem Wasser haben wir gekocht und Angelica, die Vorstandsvorsitzende des HSHS-Alumni- und Fördervereins, bringt drei Blechkuchen mit. Zwischen die Kannen und Kuchenbleche deponieren wir auch allerlei Drucksachen – den HSHS-Kalender 2026 mit großartigen Fotos der letzten Reise zum Beispiel und die dicken Blogbücher des 30. und 32. Törns. Die sind schwer genug, um nicht vom Wind verweht zu werden. Die leichteren Werbe-Flyer und Postkarten haben keine Chance und müssen unter Kartons versteckt werden. 

Als das sturmtauglichste Werbemittel der »Crew an Land« erweist sich die Emaille-Tasse. Recht bald haben viele eine solche Tasse mit Kaffee oder Tee in der Hand und auch ein Stück Kuchen. Die Menschen warten darauf, dass um 10:00 Uhr die Reisenden noch einmal an Land dürfen um sich zu verabschieden. Als es soweit ist und die Segler:innen über die Gangway auf die Pier laufen, wird es sehr emotional. Die Eltern nehmen ihre Kinder noch einmal in die Arme, übergeben letzte Briefe und kleine Abschiedsgeschenke, tauschen letzte Neuigkeiten aus. Was für ein Trubel. Am Ende stehen fast 200 Menschen in kleinen Gruppen vor der Eendracht. Darunter sogar Bremerhavener, die von der Abfahrt in der Zeitung gelesen haben und sich das Spektakel nicht entgehen lassen wollten.

Knapp 200 Menschen tummeln sich auf der Pier um die HSHS-Segler:innen zu verabschieden

Rund 150 Menschen tummeln sich auf der Pier um die 38+7 Segler:innen zur 33. HSHS-Reise zu verabschieden © Steffen

Tatsächlich ging die Nachricht von unserer bevorstehenden Reise durch viele Medien. Selbst auf den Onlineportalen von Stern, Zeit, Welt, Tagesspiegel und Morgenpost und natürlich in den regionalen Zeitungen war von unserer Reise und der heutigen Abfahrt zu lesen. Und selbst jetzt, ist Vici von der HSHS-Shore-Crew, die uns die ersten Wochen an Bord begleiten wird, beschäftigt, dem Radio Bremen ein Live-Interview zu geben. 

Um Halbelf werden die Schüler:innen wieder an Bord gerufen. Sie stehen an der Reeling und beobachten das Geschehen von dort aus. Manche nutzen die Nähe zur Kaffeestation und lassen sich Kuchen und Kaffee hochreichen. 
Es folgen kurze Reden. Fritzi von der HSHS-Shore-Crew spricht und Florian Fock, der Schulleiter der Hermann-Lietz Schule auf Spiekeroog. Er überreicht Kapitän Marco einen Holzkasten mit einem Sextanten, den vor Jahren einmal die HSHS-Gründer:innen Ute und Hartwig Henke gestiftet haben, und der seither an Bord der HSHS-Reisen für die Ausbildung genutzt wird. 

Und die Eltern bzw. all jene, die eine Kopie des Liedtextes in Händen halten, singen nach der Melodie von »The Wellermann« ein Abschiedslied – sechs Strophen lang – live begleitet von zwei Geigen und einem Akkordeon. Den Text lest Ihr unten.

Kapitän Marco mit dem HSHS-Sextanten

Kapitän Marco mit dem HSHS-Sextanten © Steffen

Die Endracht fährt durch die Klappbrücke zum Kaiserhafen

Die Endracht fährt durch die Klappbrücke zum Kaiserhafen. © Steffen

Das letzte Wort hat dann der Kapitän. Da war das Fangnetz unter der Gangway schon eingeholt. Kurze Zeit später wird sie an Bord geholt, die Festmacher losgemacht und übergeben. Punkt 11:00 Uhr als das Schiff sich langsam von der Pier entfernt, spielt Musik aus den Boxen und die Hebebrücke zum Kaiserhafen öffnet sich. Wer dort noch einmal dicht ran will an das Schiff, um letzte Wünsche rüberzurufen, muss sich beeilen. 

Von der Brücke aus winken die Angehörigen, bis der Rumpf der Eendracht von den Bauten im Kaiserhafen verdeckt wird und nur noch die drei weißen Masten zu sehen sind. Später, als das Schiff die Schleuse passiert hat, werden die Masten immer kleiner und verschwinden irgendwann ganz hinter den den Kränen vom Überseehafen.

Bereits um Halbzwölf ist die Pier im Neuen Hafen, wo die Eendracht abgelegt hat, nahezu menschenleer. Nur noch die Shore-Crew und wir von Crew an Land sind beschäftigt, unseren Kram in die Autos zu laden. Wenig später sind auch wir weg und treffen uns noch einmal  zu einem Mittagessen in der »Strandhalle«. Dort wollten wir uns eigentlich mit den vielen Alumni treffen, die traditionell zum Start einer Reise anwesend sind. Viele von ihnen, die extra von Spiekeroog angereist waren, sind jetzt aber längst auf dem Rückweg um in Neuharlingersiel die 14.00 Uhr-Fähre zu bekommen. Am morgen hatte man ihnen gesagt, dass die spätere Fähre ausfällt!

Nun vertraue ich darauf, dass wir uns alle in sieben Monaten wiedersehen, wenn die Eendracht am Pfingstsonntag wieder in Bremerhaven anlegt – dann bei hoffentlich sommerlichen Temperaturen, etwas weniger Wind und verlässlicheren Fahr- und Bahn-Verbindungen! 

Sonnige Grüße 
Euer Steffen


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Abschiedslied für die 33. Reise der High Seas High School
gesungen von den Eltern beim Abschied im Hafen
(Melodie: »The Welelrmann«)

  1. Ein Segelschiff liegt stolz am Kai,
    die Eendracht ruft, die Leinen frei!
    Mit Mut in Blick und Wind im Ohr, 
    geht ihr nun durch ein neues Tor.

    Refrain: 
    Der Wind, er ruft und trägt euch fort,
    hinaus aufs Meer, an jenen Ort,
    wo Wellen singen, Freiheit frei, 
    die Freiheit eures Lebens sei.

  2. Von Bremerhaven in die Welt, 
    der Kurs ist klar, das Ziel bestellt.
    Die Segel blühen, weiß und weit, 
    ihr brecht auf in die große Zeit.
  3. Weit draußen, wo das Meer so blau,
    zieh’n Delfine neben euch genau.
    Ihr lernt vom Sturm, vom Wind, vom Licht, 
    was Stärke ist und Zuversicht.
  4. Ihr surft im Wind, ihr taucht ins Blau,
    spürt Freiheit nah im Morgengrau,
    In fremden Häfen scheint das Licht,
    das Leben lacht euch ins Gesicht.
  5. Mit High Seas lernt ihr so viel mehr,
    vom Wind, von Wellen und vom Meer.
    Ihr spürt, was zählt im Leben weit,
    und nehmt mit, was euch Stärke leiht.
  6. Wir steh’n am Kai, das Herz so schwer,
    doch vollen Stolz und Freude sehr.
    Ihr bleibt uns nah, was immer kommt,
    im Herzen fest, wo Liebe wohnt.

    Letzter Refrain:
    Der Wind, er kommt und trägt euch fort,
    zu Wundern fern an jedem Ort.
    Sieben Monde, stolz und frei, 
    die Reise eures Lebens sei. 

    (Text: Juliane und Muse)