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Hilfe für Obdachlose – Lietzer*innen unterstützten Bremer Johanniter

Schule und Internat
27.11.2023

Gemeinsam mit ihren Lehrkräften Franziska Zeche und Nick Teske begaben sich die Lietzer*innen der Klassen 8 und 9 in der vergangenen Woche auf eine ganz besondere Exkursion ins Bremer Bahnhofsviertel. Lehrerin Franziska Zeche schildert ihre Eindrücke:
 
Unsere 8. und 9. Klasse hat sich im Fach GeW mit dem Thema oft übersehener Gesellschaftsgruppen beschäftigt. Hierzu gehören u. a. auch Obdachlose und Suchtkranke, deren Schicksale und Lebensbedingungen zu oft keine Beachtung finden – zu unbequem ist ihre Wahrheit. Zu schnell werden mit den Begriffen Obdachloser oder Suchtkranker/Junkie stereotypische Verallgemeinerungen getroffen. Dennoch gehören diese Menschen zu unserer Gesellschaft, haben ihre individuellen Lebensgeschichten, Schicksale, Ängste und Hoffnungen. 
 
Mit unserem Projekt wollten wir unseren Schüler*innen eine neue Perspektive auf diese Menschen ermöglichen. Wer sind diese Menschen, die auf der Straße betteln? Was sind ihre Lebensbedingungen und warum sind sie überhaupt auf der Straße? Was kann jeder Einzelne von uns tun, um diesen Menschen zu helfen? Wie sich herausstellen sollte, muss das nicht immer eine Geldspende sein. 
 
Am Donnerstag, dem 23.11.23 brachen wir mit 22 Schüler*innen und 4 Betreuer*innen für 2 Nächte nach Bremen auf, um uns vor Ort ein Bild zu machen und in caritativen Einrichtungen mit anzupacken.
 
Am Freitagmorgen um 9 Uhr starteten 6 Schüler*innen mit Betreuern, um bei den Bremer Suppenengeln in der Suppenküche, der Kleiderkammer und im Lebensmittellager mit anzupacken. Die hier unter professioneller Leitung gekochte Suppe wurde dann gegen 13 Uhr ebenfalls von unseren Schüler*innen an verschiedenen Orten in der Stadt direkt an obdachlose und bedürftige Menschen verteilt. Hierzu werden die Suppen mit Lastenfahrrädern und entsprechenden Tanks an viele verschiedene Standorte in der Stadt gefahren, wo montags bis freitags Obdachlose und Bedürftige diese bereits sehnlich erwarten. 
 
Zeitgleich brach der Rest der Klasse zur alternativen Stadtführung auf. Hierbei liefen wir 2 Stunden lang durch das Bremer Bahnhofsviertel und hörten die Lebensgeschichten unserer Guides, die früher selbst von Obdachlosigkeit und Sucht betroffen waren. Sie schilderten uns eindrucksvoll, wie wichtig Begriffe wie Sicherheit, Hygiene und Wärme für Obdachlose sind. Wir lernten, wie viel Gewalt von oftmals jungen Erwachsenen gegenüber Obdachlosen ausgeübt wird – meist aus reiner Freude am Leid anderer Menschen.
 
Am Nachmittag machte sich die Klasse nochmals auf den Weg in die Bremer Innenstadt. Die Schüler*innen bekamen alle einen Euro, den sie an Obdachlose und Bettelnde verteilen und so möglichst mit ihnen ins Gespräch kommen sollten. Was als kleiner Programmpunkt geplant war, entpuppte sich als eine Aktion, die bei unseren Schüler*innen große Wellen schlagen sollte. Teils dauerten die intensiven Gespräche bis zu 20 Minuten an. Es wurde von Lebenswegen, zerbrochenen Familien, Freundschaften und Lieben, von Reue und Angst aber auch Selbstbestimmung erzählt: Ein ehemaliger Bundespolizist, der so vieles im Leben gesehen hatte, dass er sich entschied, fortan auf der Straße zu leben. Oder Klaus und Jürgen, die auf der Straße ‚Kollegen‘ waren und sich durch schwere Zeiten begleiteten. Während Karl erzählte, dass er in seinem vorherigen Leben Scharfschütze, Polizist, Pilot, Kampfschwimmer und vieles andere gewesen sei, hörte Jürgen nur bekümmert zu. Jürgen hat seit einiger Zeit eine Wohnung, aber er macht sich Sorgen um Karl, der noch immer auf der Straße lebt und zusehends dement wird. Er könne seinen Kollegen so doch nicht allein lassen, beteuert er.
 
Zur selben Zeit bereiten sich 4 unserer Schülerinnen auf ihren Einsatz beim Bremer Johanniter-Kältebus vor. In der Zentrale der Johanniter sortierten sie Süßigkeiten, kochten Kaffee, füllten heißes Wasser in große Behälter, organisierten Teekisten, packten Bockwürste und 5-Minuten-Terrinen ein. Denn um 18 Uhr hieß es für unseren Trupp: Aufbruch zum Bremer Hauptbahnhof! Hier verteilten wir bei Hagel und Temperaturen um den Nullpunkt eine warme Mahlzeit, bevor die Menschen in die kalte Nacht gehen würden. Eine warme Bockwurst, ein heißer Kakao und ein bisschen Hundefutter für den treuen Vierbeiner wurden absolut dankbar empfangen.
Die Menschen kennen die Johanniter. Sie sind nicht nur ‚die mit dem heißen Kaffee‘, sondern teils auch schon Vertraute, eine kümmernde Konstante, jemand der die Menschen sieht, der hilft und akzeptiert. 
 
Unser zweiter Stopp sollte die sogenannte Toleranzfläche an den Gleisanlagen sein. Wie der Name schon sagt: hier werden die Menschen, insbesondere Suchtkranke, von der Stadt toleriert, wo sie anderswo in einer – Zitat der Bremer Stadt – „Reinigung“ vertrieben wurden. Hier leben insbesondere Crack-Abhängige in einer ‚Nutzgemeinschaft‘ in einem offenen Überseecontainer, egal bei welchem Wetter. Aber auch diese Menschen kennen die Johanniter, sind respektvoll und äußerst dankbar.
 
Das Leid, die Armut und die Lebensbedingungen all dieser Menschen gingen nicht spurlos an unseren Schüler*innen vorbei. Genauso aber auch nicht die Erfahrung, diesen Menschen mit den eigenen Taten und Worten helfen zu können. Entsprechend intensiv waren die Gespräche, als sich alle Gruppen abends bei Pizza im Hotel zusammenfanden und von ihren Erlebnissen berichteten. Denn letztendlich war es nicht der eine Euro, den die Schüler*innen am Nachmittag verteilt haben, der diesen Menschen geholfen hat, sondern die heiße Suppe und ein Lächeln, die Frage, wie es denn Pascha – dem Hund – geht, die warme Decke und Geduld, wenn der obdachlose Herr im Rollstuhl so sehr zittert, dass er seinen Tee nicht mehr allein aus einem Becher trinken kann. Es waren die Gesten und Gespräche auf Augenhöhe und das ehrliche Interesse für ihre Person und Situation. Es war eine würdevolle Behandlung und ein bisschen soziale Wärme, die diesen Menschen am meisten Glück bereitet hat. 
 
Die Erfahrung der betreuenden Lehrkräfte, das Feedback unserer Schüler*innen und der kooperierenden Institutionen war, dass wir solche Aktionen öfter veranstalten sollten und wollen. Darüber hinaus hoffen wir, mit diesem Projekt und Arbeitseinsatz weitere Schulen, Lehrkräfte und vielleicht sogar Sie als Privatperson inspirieren zu können, sich ehrenamtlich zu engagieren, zu spenden oder der/dem nächsten Obdachlosen ein wenig sensibilisierter zu begegnen.