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Alles ist Musik - Musik ist alles – Blaue Kogge zum 11. Mal auf Spiekeroog

Schule und Internat
08.02.2024

In den Winterschlaf der Insel Spiekeroog hat sich seit einigen Jahren die Musik eingeschlichen. Zu den wenigen Gästen, die sich in den letzten Januartagen im Foyer der Kogge, dem ortsansässigen Haus des Gastes einfinden, dringen Töne und Melodien – von Streichern, Bläsern, Gitarren und Piano. Der Rhythmus von Schlagzeug und Percussion sucht sich seinen Weg durch die verschlossenen Türen des großen Saales.
 
Hinter diesen Türen probt ein Orchester für seinen großen Auftritt. Keine/r der 21 Instrumentalist/innen ist ein Profi. Sie sind Insulaner*innen mit ganz unterschiedlichen Berufen, Schüler*innen und Mitarbeitende der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog. Da ist zum Beispiel Inselpastor Friedemann Schmidt, der Klavier, Akkordeon und Posaune spielt, Nationalpark-Haus-Leiterin Swaantje Fock an der Querflöte, Goldschmied Werner Franke mit seiner E-Gitarre, Schülerin Charlotte Günther mit ihrer Geige und Schulleiter Florian Fock am Cello. Mit dabei sind in diesem Jahr auch wieder das Spiekerooger Chörchen sowie mehrere Solistinnen.
 
Sie alle sind Teil des Orchesterworkshops „Blaue Kogge“, der – gefördert von der Kulturstiftung Spiekeroog – mittlerweile im elften Jahr auf Spiekeroog stattfindet. Geleitet wird er von Peter Dahm, seines Zeichens Musiker, Komponist, Arrangeur und künstlerischer Leiter der Kulturwerkstatt westend in Bremen. Für ihn beginnt die Blaue Kogge bereits einige Monate vor den eigentlichen Proben: „Gerade in diesem Jahr habe ich sehr früh angefangen, an den Arrangements zu schreiben“, erinnert sich Dahm. „Ich habe von den Orchestermitgliedern und auch den Sängerinnen so wunderbare Vorschläge bekommen. Da wollte ich so schnell wie möglich in die Umsetzung gehen.“ Viele der Workshop-Teilnehmenden kennt er gut, einige bereits seit vielen Jahren. Gerade das gibt ihm die Möglichkeit, die Stücke so zu arrangieren, dass sie perfekt zu ihnen passen.
 
Auch Florian Fock, Schulleiter und Geschäftsführer der Hermann Lietz-Schule Spiekeroog, gehört zu denjenigen, die mit Peter Dahm schon lange eng verbunden sind. Nach einem seiner Konzerte auf der Insel fragte er Peter Dahm, ob dieser sich vorstellen könne, am Inselinternat einen Musikworkshop für Schüler*innen und Lehrer*innen durchzuführen. Mit seiner Zusage war der Weg zu einer Zusammenarbeit geebnet, die sich kurze Zeit später zum Orchesterworkshop der Blauen Kogge entwickelte.
 
Für Florian Fock ist die Musik ein unverzichtbarer Teil seines Lebens: „Seit ich 8 Jahre alt bin, spiele ich Cello und bin durch die musikalische Gemeinschaft in Familienmusikwochen geprägt worden“, erzählt er. „Auf der Insel habe ich vor vier Jahren die Posaune für mich als Instrument entdeckt und bin mittlerweile Mitglied im Spiekerooger Posaunenchor.“ In seiner Position trägt er viel Verantwortung, muss schnelle Entscheidungen treffen, für die Sorgen und Nöte der Internatsgemeinschaft immer ein offenes Ohr haben. Die Tage der Proben zur Blauen Kogge bedeuten für ihn so etwas wie einen Kurzurlaub vom Alltag. Bei der gemeinsamen Arbeit an den Stücken spiegelt sein Gesicht zugleich höchste Konzentration und unbändige Freude wider. “Es ist ein unglaublich beflügelndes Gefühl, wenn man merkt, dass im Verlauf des Workshops aus individuellen Hobby-Musiker*innen eine Einheit wird”, freut sich Florian Fock. “Mit jeder Wiederholung, jedem Feilen an kleinen Passagen reifen die Stücke, und das Ergebnis überrascht uns am Ende alle aufs Positivste.”
 
Auch der Pädagoge in Florian Fock weiß um die Wirkung einer solch prägenden musikalischen Erfahrung. Am Internat leitet er die Orchester-AG, für deren Mitglieder die Blaue Kogge jedes Jahr ein Highlight ist, und ist überzeugt vom Wert musikalischer Bildung. Für ihn ist ganz klar: Musikalische Bildung stärkt Kernkompetenzen wie Kreativität und Selbstvertrauen. Beim gemeinsamen Musizieren ist zum einem Teamfähigkeit wichtig. Zum anderen schult es Aufmerksamkeit und gegenseitige Rücksichtnahme. Alle Beteiligten nehmen in einem kollektiven Schaffensprozess Impulse wahr und führen diese weiter. Das Zusammenspiel im Ensemble trägt jede und jeden Einzelnen, im gemeinsamen Klang findet man seinen Platz. Musikalische Verständigung funktioniert ohne Worte und gibt Kraft. Beim Üben wird das innere Zusammenspiel von Erkennen, Verstehen, technischer Umsetzung, Intuition und Emotion erprobt und verinnerlicht: das ist Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Und wer denkt, sie oder er sei zu alt dafür Musik zu machen, dem nimmt Florian Fock augenzwinkernd auch den letzten Zweifel: “Es ist nie zu spät, für sich neue Musik zu erschließen, oder ein Instrument zu erlernen und so in den Genuss des gemeinschaftlichen Musizierens zu kommen.”
 
Die Lietzer Abiturientin Charlotte Günther ist mittlerweile zum zweiten Mal dabei. Geige spielt sie seit ihrem achten Lebensjahr. Für sie und ihre Mitschüler*innen bedeutet die Blaue Kogge Genuss und Anstrengung zugleich. Parallel zu den Proben läuft ihr Schulalltag weiter, der besonders für die 13t-Klässler*innen in dieser Phase herausfordernd ist. Dennoch möchten sie diese Tage im Januar nicht missen. “Ich liebe die Dynamik dieses gemeinsamen Erarbeitungsprozesses, in den man ganz tief eintaucht”, sagt Charlotte. “Und nicht zuletzt Peters professionelle Anleitung und seine sympathische Art empfinde ich dabei als besonders inspirierend und wertvoll.” Ein bisschen Wehmut schwingt schon mit, wenn sie daran denkt, dass dies ihr letztes Jahr mit dem Workshoporchester sein wird.
 
Am Abend des Konzerts herrscht hinter den Kulissen gespannte Aufregung. Bei der Generalprobe am Morgen hatten die Musiker*innen noch die eine oder andere Unebenheit geglättet und hoffen nun, dass sie beim großen Auftritt all das zeigen können, was sie sich in den vergangenen Tagen erarbeitet haben. 200 Besucher*innen warten bereits im Saal – mehr als die Veranstalter erwartet haben. Aber zusätzliche Stühle sind schnell aufgestellt, und die gemeinsame musikalische Reise kann beginnen. Eine gute Stunde lang geben die Workshopteilnehmenden auf der Bühne alles: Mit Mambo und Tango, Filmmusik, Popsongs, selbst komponierten Liedern und nicht zuletzt einem neuen Arrangement des eigenes von Peter Dahm komponierten Stückes “Blaue Kogge” können sie ihr Publikum mitreißen. Als am Ende begeisterter Applaus aufbrandet, sind Orchester, Chor und Sängerinnen Erleichterung und Stolz auf ein gelungenes Konzert deutlich anzusehen. Auch Peter Dahm ist voll des Lobes: “Ich habe immer gedacht, die Blaue Kogge ist nicht steigerungsfähig, aber diese Woche hat es tatsächlich getoppt.”
 
Bei der After Show Party im Backstage-Bereich fällt schließlich auch die letzte Anspannung ab, und die ersten Pläne für die Blaue Kogge 2025 werden bereits geschmiedet. Alle sind beseelt vom eben Erlebten und dankbar für diese außergewöhnliche Chance, gemeinsam ein solches Projekt auf die Beine zu stellen. “Wir alle bewundern die Engelsgeduld, mit der du uns immer wieder durch diese Workshops lotst, und niemand, der nicht selbst dabei ist, hat eine Vorstellung von der Arbeit und Energie, die du hineinsteckst”, spricht Florian Fock im Namen aller Peter Dahm seinen Dank aus. “Und wir werden nie das Motto vergessen, mit dem du uns jedes Mal wieder begleitest: Es gibt keine Fehler, es gibt nur spontane persönliche Improvisationen!”