22. April 2024 Wie wir Europäer Menschen in Mittelamerika ausrauben

Datum: 21.4.2024
Position: 53°02,603'N, 00451,297'O
Hafen von Texel
Bisher zurückgelegte Seemeilen:  14.244,44 nm
Wetter:  sonnig, teils bewölkt · 13°C · Wind: Ost1
Stimmung an Bord: fleißig am SBF lernen und gemütlich

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Ich habe mich, während wir auf Costa Rica waren, mit einigen Menschen aus Costa Rica darüber unterhalten, wie und wo sie arbeiten. Bei der Zuckerrohrernte in Longo Mai durften wir einen Tag dabei sein. Darüber habe ich in PoWi den folgenden kritischen Text verfasst.

Wie wir Europäer noch immer Menschen in Mittelamerika ausrauben

 
Harte Arbeit, geringe Bezahlung – Europäer, die sich Rohrzucker in Massen kaufen, ohne Herkunft und Herstellung zu kennen, rauben unbewusst die Menschen in Mittelamerika aus – ein Zustand, den wir ändern sollten. Aber wollen wir das überhaupt?
 
Um auf dem selben Stand der Geschichte zu sein, schildere ich sie hier kurz. Nachdem Kolumbus Amerika entdeckt hatte und einige weitere Schiffe kamen, haben die Europäer die Ureinwohner Amerikas versklavt und getötet und dadurch ein extrem hohes Wirtschaftswachstum erzielt. Erst nachdem sich die Europäer mehr oder weniger aus Mittelamerika zurückgezogen haben, konnten sich die Menschen dort ein neues Leben aufbauen und unabhängig werden. Nun ja, so richtig hat das aber nicht geklappt.

Auf meinem Weg durch Costa Rica bin ich auf einige Zuckerrohr erntende Personen gestoßen, die mir von ihrer Arbeit erzählten. Die erntenden Menschen arbeiten teilweise von 4:00 Uhr bis mittags um 12:00 Uhr. Sie dürfen sich ihre Arbeitszeit tagsüber bis 16:00 Uhr selbst einteilen, müssen aber mit 20 bis 30 anderen erntenden Menschen 50 Tonnen Zuckerrohr pro Tag ernten. Und das bei extremer Hitze und auf abgebrannten Feldern, in denen Schlangen und andere giftige Tiere leben. Dabei verdient eine Personen pro Tag etwa 13 bis 20 $.

In der Produktion gehen etwa 85 Prozent des Zuckerrohrs verloren. Das Zuckerrohr wird erst gesäubert und dann gepresst, wobei das Zucker-Wasser-Gemisch des Zuckerrohrs aufgefangen wird. Das wird dann so lange erhitzt, bis das Wasser verdampft und Zuckerkristalle entstehen. Ein Zuckerrohr wiegt etwa 5 kg. Da während der Produktion des Rohrzuckers 85 Prozent des Zuckerrohrs verloren gehen, kann man aus einem Zuckerrohr etwa 750 g Rohrzucker gewinnen. Angenommen, im Supermarkt zahlt man für ein Kilogramm Zucker einen Dollar, so zahlt man für den Rohrzucker aus 1 1/3 Zuckerrohren. An einem Tag werden in Longo Mai, einem kleinen Dorf in Costa Rica, 50 Tonnen Zuckerrohr von 20 bis 30 Personen für insgesamt 400 $ geerntet. 50 Tonnen Zuckerrohr sind etwa 10.000 Zuckerrohre. Die Zuckerrohr erntenden Personen verdienen etwa 0,04 $ pro Zuckerrohr, der Europäer zahlt 0,75 $ pro Zuckerrohr. Auf dem Weg zwischen Konsument und erntender Person bleiben 0,71 $ liegen. Die Produktion kostet nicht so viel und es bleibt extrem viel Geld im Unternehmen. Hochgerechnet auf die 10.000 Zuckerrohre aus Longo Mai, sind es schon 7.100 $ pro Tag. So kauft der Europäer nichts ahnend ein Kilogramm Rohrzucker für einen Euro.

Wo wir also billig Zucker kaufen, verdienen sich die Unternehmen dumm und dämlich. Bei den erntenden Personen kommt allerdings extrem wenig an. Sie sind auf den Job angewiesen, denn ohne diesen können sie sich und ihre Familien nicht finanzieren. So können die Unternehmen sie auch ganz einfach ausrauben und so wenig wie möglich bezahlen. Denn: die erntenden Personen haben gar keine Wahl. Es gibt für sie auf dem Arbeitsmarkt gar keine Alternative.

Dieser Zustand sollte verändert werden. Die erntenden Personen sollten faire Stundenlöhne und Arbeitsverhältnisse bekommen. Dabei würden aber entweder die Unternehmen weniger Gewinn machen oder die Konsumenten mehr bezahlen. Aber wollen wir das überhaupt? Die Antwort lautet ganz klar: Nein. Denn Unternehmen wollen natürlich noch den selben Gewinn beibehalten und dabei möglich nichts an die erntenden Personen verlieren. Gleichzeitig wollen die Konsumenten am Ende nicht mehr bezahlen und könne sich das teilweise auch nicht leisten.
 
Zusammenfassend lassen es die Konsumenten von Rohrzucker unbewusst oder jetzt sogar bewusst zu, dass die erntenden Personen unter schwersten Bedingungen harte Arbeit leisten und dabei extrem wenig verdienen. Der Konsument akzeptiert beim Kauf diesen Zustand des Ausraubens mehrerer Millionen Menschen weltweit und fördert ihn und die Unternehmen dadurch.
 
Und das war es auch von mir für heute,
Bis Bald!
Tomke