Nachtrag: 15. März 2022 Beruf: Deckhand auf Tallships

Datum: 15.03.2022, 12.45 Uhr
Position: 25°38.470’N, 79°32.420’W
Kurs: 357 °, N
Bisher zurückgelegte Seemeilen: 9460,6 sm
Wind (Stärke, Richtung): 4bft, ONO
Wetter: bewölkt, leichter Nieselregen · Wasser: 25°C · Luft: 24°C
gesetzte Segel: inner jib, outer jib, main stay sail
Geschwindigkeit: 6,7 kn
Stimmung an Bord: produktiv und wieder sehr gut gelaunt!

Wir stellen Euch heute Selena –
seit Januar eine unserer neuen »Deckhands« vor

Das ist die offizielle Selena:
• Name: Selena Zuithoff
• Alter: 21 Jahre
• Herkunft: Niederlande
• Beruf: Deckhand auf Tallships

Weil das aber so langweilig ist, stellen wir euch jetzt die Selena von der Gulden Leeuw, also unsere Selena vor:

Als was arbeitest du und kannst du uns das genauer erklären?
Ich arbeite als Deckhand auf verschiedenen Traditionsseglern. Den Beruf der Deckhand könnte man in Deutsch als Matrosin bezeichnen. Als diese arbeite ich zusammen mit den Trainees am Schiff. Wir helfen bei Segelmanövern und Maintenance, also der Schiffsinstandhaltung. Ich arbeite viel mit dem Bosun zusammen, welche/r das Sagen an Deck hat und ich bringe den Trainees alles Mögliche rund um das Leben an Bord eines Traditionsseglers bei.

Da du das Segeln zu d=einem Beruf gemacht hast – was macht es für dich zu etwas so Besonderem?
Was ich am Segeln ganz besonders toll finde ist, dass auf jedem Schiff und mit jeder Crew immer so eine kleine private Gesellschaft, in irgendeiner Weise sogar so eine kleine, lustige Familie entsteht. Man ist nur unter sich und schneidet sich in jeglicher Weise von der Außenwelt ab, was aber nicht schlimm ist, im Gegenteil. Es ist genau das, was es so besonders macht. Man lernt durch dieses Alleine sein, die kleinen Dinge, die basics viel mehr zu schätzen. Zuhause würde ich mich über ein nettes Abendessen oder Ausgehen freuen. Auf See freut man sich schon einfach nur über eine kleine Brise. Es ist diese Verbundenheit mit der Natur, weil man eben nicht durch alle möglichen Eingriffe des Menschen, wie Straßen, Autos und Städte die Abhängigkeit zur Natur ignorieren kann, wie wir es in unserem normalen, alltäglichen Leben tun. Hier merkt man wieder wie sehr man eben doch auf die Natur, den Wind, angewiesen ist.

Die Natur ist so etwas großes Unfassbares. Wie du eben schon beschrieben hast, werden durch das Segeln diese Bande dorthin wieder aufgebaut, was bedeutet dann das Wasser für dich?
Wasser ist etwas so Großes, es bedeutet unglaublich viel für mich. Es ist so vielseitig, es kann so wunderschön sein, gleichzeitig kann es auch so gefährlich, so mächtig sein. Es beinhaltet so vieles und vor allem ist es selbst so unglaublich viel … allein der Fakt, dass wir von hier (Bocas del Toro) bis Kuba sieben Tage brauchen, auf der Karte sieht das alles nach nichts aus, aber Wasser kann einen so weit bringen, man kann über Wasser große Distanzen zurück legen und im Hinterkopf hat man immer diese Welt unter einem. Von der man nicht viel sieht, aber wenn dann irgendwann doch (z. B.) ein Delfin oder Wal auftaucht, ist es jedes Mal auf’s Neue eine Freude und wird nie langweilig. Auf See fühlt man sich ihnen gleich so verbunden, vielleicht weil man auch auf diesem Meer unterwegs ist und in gewisser Weise von ihm lebt. Es ist einfach unbegreiflich.

Weil das Wasser so etwas großes Unbegreifliches ist, magst du es dann genauso sehr wie ich, dort einzutauchen und schwimmen zu gehen?
Ich muss zugeben, bei mir ist das absolut gar nicht der Fall. Eigentlich mag ich schwimmen nicht, ich liebe es zwar AUF dem Wasser zu sein, aber ganz und gar nicht IM Wasser. Es fühlt sich für mich einfach nicht gut an, es fühlt sich so unnatürlich an. Auch Tauchen ist was ganz Komisches. Auf Grenada war ich einmal tauchen und konnte es nicht genießen, denn es war so beklemmend, mir ging die ganze Zeit durch den Kopf, dass Menschen einfach nicht für so etwas gemacht sind und dass das gerade alles nicht echt ist.

Okay, tauchen wir mal wieder auf und kommen zurück an Bord. Was ist dein größtes Ziel oder dein größter Wunsch, das/den du in deinem Leben erreichen möchtest?
Ich habe kein wirkliches Ziel, als Momentum, wie es sich wahrscheinlich viele Leute vorstellen. Mein Lebensziel besteht sozusagen aus den ganzen kleinen Zielen. Ich möchte nämlich mein Leben so leben, wie ich es wirklich will, so dass es mir Spaß macht und dass ich mich nicht nach anderen Leuten richte. Ich möchte nur das machen, was mich wirklich glücklich macht. Zum Beispiel das Leben hier an Bord. Die Arbeit hier und das Leben auf See machen mich einfach unglaublich glücklich und auch wenn es Momente gibt oder Arbeiten und Aufgaben, die mal keinen Spaß machen, woran man verzweifelt oder die einfach schlechte Laune machen, gibt es trotzdem noch dieses gesamte Bild und auch diese Aufgaben sind Teil davon, was mich erfüllt und glücklich macht. Dazu gehört auch, dass ich eben nicht diesen Vorstellungen eines ‚normalen‘ Lebens folge, dass ich später mal arbeiten gehe, eine Familie habe und ein ‚Zuhause‘. Ich möchte reisen und selbst entscheiden, was ich will, nämlich vielleicht keine solche Familie, sondern meine eigene Freiheit, die ich dann auch nutze. Was nicht heißt, dass ich keine Familie möchte, aber ich denke man versteht schon was ich meine.

Das klingt alles sehr nach einem guten Punkt zum Nachdenken, darum will ich das Interview auch damit beenden und euch Zuhause mal die Frage stellen, was stellt ihr euch unter einem lebenswerten Leben vor?

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Hier noch ein paar Fragen, die sich einige an Bord gestellt haben:

Natalia: Hast du Geschwister?
Nein, nur einen Stiefbruder, der wohnt in Belgien.

Jasper: Was war die langweiligste oder schlimmste Arbeit hier an Bord? Oder was war das Schlimmste, was du mal falsch gemacht hast?
Langweilige oder schlimme Arbeiten gibt es hier eigentlich nicht wirklich, klar sind manche nervig, aber sie sind ja nicht ewig. Das Schlimmste was ich einmal falsch gemacht habe war, als ich unseren Wassertank hinter der Tiefkühltruhe im Foodstore derusten musste (Rost abschleifen), und ausversehen so viel abgeschliffen habe, dass ich ein Loch in den Tank gemacht habe. Und ich hatte mich schon die ganze Zeit über gewundert, warum da überall auf dem Boden so viel Wasser war… dann musste ich das Loch mit Zement stopfen.

Antonia M. : Wie bist du darauf gekommen, deine Bettlaken so schlau zu falten? (Die sehen anscheinend sehr ordentlich und schön aus.)
Ähem eigentlich war ich immer ganz schlecht im Bettwäsche falten, das sah immer ganz schlimm aus, also habe ich mir gedacht, das muss doch besser gehen und hab dann gegoogelt. Das schlaue Internet mal wieder…

Luis: Magst du Döner? Und falls du noch nie einen gegessen hast, dann musst du einen mit mir essen gehen! (Luis, unser Döner Experte …)
Ich esse ehrlich gesagt nie Döner, aber ich glaube ich habe schon einmal einen gegessen. Ich gehe trotzdem lieber mal einen mit Luis essen, der schmeckt bestimmt lecker!

Eure Clara

  • PS von Clara: An die Madames von nebenan (Femke und Paula): Packt schonmal das Waveboard aus und übt noch ein bisschen, bevor der Profi wiederkommt…